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Auszug aus der Eröffnungsrede in der Kunstausstellung Kühl von Dr. Börsch-Supan


Charlotte Herzog von Berg ist ein großer seltener Schmetterling, der seine bunten Flügel ausbreitet, sie bewundern lässt und wieder davonfliegt. Damit meine ich mehreres. 1. Die Lust am Ortswechsel, eine gewisse Abgehobenheit vom Boden, ein Schweben über den Dingen. Vor allem der Orient, aber auch Afrika hat es ihr angetan, jedenfalls sonnige Länder. Dennoch sind ihre Bilder schattenlos. Auf die Zentripetalkraft ihrer Bilder komme ich noch zurück. Das zweite Schmetterlingsargument ist formaler Art.

In ihren Bildern waltet eine auffällige Symmetrie, natürlich keine sklavische. Diese Symmetrie hat etwas mit einem Körpergefühl zu tun. Schmetterlingsartig ist aber auch die Farbigkeit und das ornamentale Element in ihren Bildern. Alle besitzen durch ihren Zug zur Form eine Tiefendimension, aber zugleich sind sie flächig gehalten. Viele Formen scheinen Schnitte durch einen Körper zu sein, z.B. durch einen Edelstein. Auf eine formale Eigenart möchte ich noch aufmerksam machen, die wohl jedem Betrachter auffällt: die freie Mitte und die innere Rahmung durch viele kommentierende Bilder, wie bei Runges "Zeiten". Die großen Formen in der Mitte sprechen fast immer durch eine bewegte, bisweilen bizarre Kontur. Diese kann die Silhouette eines Palastes oder einer Moschee, das Ufer eines Sees, die Küstenlinie einer zerklüfteten Insel auf der Landkarte oder der Umriss eines phantastischen Felsens sein. Die Mitte selbst ist einfarbig, aber meist sensibel abgetönt, atmend, wie Aquarell. Umso munterer entfaltet sich dann das Leben an den Rändern.

Dresden, 1994

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